4. Januar 2024 / Aktuelles aus Deutschland und der Welt

Reemtsma-Entführer Drach zu 15 Jahren Haft verurteilt

Nach exakt 100 Verhandlungstagen ist der Mammut-Prozess gegen Thomas Drach zu Ende. Das Kölner Landgericht schickt Deutschlands wohl bekanntesten Schwerverbrecher für lange Zeit ins Gefängnis.

Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wurde der Angeklagte Thomas Drach (2.v.r) aus der JVA Ossendorf zu seiner Verhandlung im Kölner Landgericht geflogen.

Der Richter hat gerade die Sitzung offiziell geschlossen, da ergreift der Angeklagte nochmals das Wort: «Ich möchte jetzt schon die Revision einlegen», ruft Thomas Drach. Doch Richter Jörg Michael Bern antwortet kurz angebunden: «Das nehme ich nicht entgegen.» Das müsse man schriftlich bei der Geschäftsstelle machen. Dann führen Justizbeamte Drach aus dem Saal des Kölner Landgerichts, in dem er 100 Verhandlungstage verbracht hat.

Noch am Vormittag hat der Reemtsma-Entführer in seinem «letzten Wort» einen «glasklaren Freispruch» für sich reklamiert. Er habe mit den angeklagten Geldtransporter-Überfällen nichts zu tun. Doch das Urteil der 21. Großen Strafkammer am Donnerstag entspricht in vollem Umfang dem Antrag der Staatsanwaltschaft: 15 Jahre Freiheitsstrafe und anschließende Sicherungsverwahrung. Ob der 63-Jährige also jemals in seinem Leben wieder auf freien Fuß kommen wird, ist fraglich.

Drei Werttransporter überfallen

Die Kammer verurteilt Drach unter anderem wegen schweren Raubes und versuchten Mordes. Nach Überzeugung des Gerichts hat er 2018 und 2019 drei Werttransporter in Köln und Frankfurt am Main überfallen und dabei insgesamt rund 142.000 Euro erbeutet. Bei zwei der Taten schoss er auf die Geldboten - in einem Fall mit einer Kalaschnikow - und verletzte die beiden Männer schwer. «Bei der Erreichung seines Ziels, möglichst schnell an Geld zu kommen, war ihm das Wohl und Wehe der Opfer völlig egal», sagt Bern.

In seinem Urteil stützt sich das Gericht auf eine Vielzahl von Indizien, die zusammengenommen «ein schlüssiges Gesamtbild» ergäben. So zeigten Videoaufnahmen der Taten laut Gutachten, dass es sich bei dem maskierten Täter sehr wahrscheinlich um Drach handele. Bei allen benutzten Fluchtfahrzeugen gebe es einen Bezug zu Drach, an einem der Wagen wurde seine DNA gefunden. Ein ehemaliger Mitgefangener hatte als Zeuge ausgesagt, dass Drach ihm von den Taten erzählt habe. Lediglich ein ebenfalls angeklagter Überfall im hessischen Limburg war ihm nach Angaben von Bern nicht nachzuweisen.

Mammut-Prozess unter starken Sicherheitsvorkehrungen

Mit dem Urteil endete ein fast zwei Jahre dauernder Mammut-Prozess, der unter starken Sicherheitsvorkehrungen stattfand und immense Kosten verursachte. So sperrten Polizisten an jedem Verhandlungstag die Straßen um das Gerichtsgebäude ab. Drach wurde meistens per Hubschrauber von der Justizvollzugsanstalt Köln herübergeflogen.

Bei der Suche nach einer angemessenen Strafe habe die Kammer zugunsten von Drach praktisch nichts in die Waagschale werfen können, sagt Bern: «Wir haben uns Mühe gegeben, aber wir haben kaum was gefunden.» Zu Lasten des Angeklagten dagegen gebe es vieles, etwa die Gefährlichkeit der Taten und seine mangelnde Empathie für die Opfer. Drachs zahlreiche Vorstrafen - insgesamt habe er bislang 25 Jahre im Gefängnis verbracht - hätten bei ihm keinen Eindruck hinterlassen.

Vierzehneinhalb Jahre Haft für Reemtsma-Entführung

Allein für die Entführung von Jan Philipp Reemtsma war der aus einem gutbürgerlichen Elternhaus in Erftstadt bei Köln stammende Drach zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. 1996 hatte er den Erben der Hamburger Tabak-Dynastie Reemtsma entführt und nach 33 Tagen wieder freigelassen - gegen ein Lösegeld von 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken.

Da Drach eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, soll der Deutsche nach Verbüßung der jetzigen Haftstrafe in Sicherungsverwahrung. «Es gibt bei ihm ein fest eingeschliffenes Muster der Delinquenz», sagt Bern. Drachs oberstes Ziel sei es seit jeher gewesen, «ein Leben in Luxus» zu führen - allerdings ohne sich dafür anstrengen zu müssen.


Bildnachweis: © Thomas Banneyer/dpa
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